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Literatur zur Ziegeleigeschichte

   
Unten sind unsortiert einige der wenigen Artikel zur Brandenburgischen Ziegeleigeschichte, die ich im Internet fand.
Kurzer Abriss

Im 19. Jh. waren die reichen Lehmvorkommen und die großen Waldungen im Elbe-Havel Gebiet gute Ausgangsbedingungen für eine lokale Ziegelproduktion. Im Jahre 1838 gab es im früheren Kreis Jerichow II bereits 44 Ziegeleien, und 1840 befand sich eine in Parey und eine in Derben, wo sich damals die umfangreichsten Tonlagerstätten befanden. Im Rahmen der in der zweiten Hälfte des 19. Jh. einsetzenden schnellen industriellen Entwicklung erhöhte sich die Anzahl der Ziegeleien in diesem Kreis bis auf 132 im Jahre 1885. Allein 13 davon entstanden in Parey. Um die Jahrhundertwende setzte dann der harte Konkurrenzkampf ein, dem der größte Teil dieser Ziegeleien zum Opfer fiel.

Seit den 1980ern ist nicht eine einzige Ziegelei mehr in Betrieb. Die Tonvorkommen in der Grube Derben sind inzwischen erschöpft, und die noch verbliebenen Ziegeleien mußten wegen ihres desolaten Zustandes stillgelegt werden.

Der Ziegelringofen in Parey selbst wurde 1880 in Betrieb genommen. Die Industrieanlage mit Hoffmannschem Ringofen, Tonschneidemaschinen, Strangpressen, Gleisanlage, Loren war seinerzeit die modernste ihrer Art im Kreisgebiet. Produziert wurden Mauersteine und ab und zu, je nach Bedarf, Dachsteine. Während der Inflation verkaufte der ehemalige Inhaber des Betriebes die Ziegelei an den Kreis, der den Betrieb dann weiterführte.
So entstand die Bezeichnung "Kreisziegelei", die sich bis zum heutigen Tage erhalten hat, obwohl sie zwischenzeitlich, in den Jahren 1936 bis 1953, wieder in privaten Händen war. Ende 1977 erfolgte ihre Stillegung.


Bei diesem Text handelt es sich um einen Auszug der Vimudeap-Datenbank. Um in das Virtuelle Museum der Toten Orte zu gelangen, oder das betreffende Objekt sich anzuschauen, nutzen sie bitte die oben und unten auf der Seite angegeben Links.
Objekt: Ziegelei, Parey, D
Site: www.vimudeap.de
   
Der Steinzeitmann
Von Jörg Niendorf

Karl-Ludwig Lange besitzt die größte Ziegelsteinsammlung Berlins. Lange Zeit hielt man ihn für einen Spinner. Bis die ersten Denkmalpfleger zu ihm kamen

Ohne Karl-Ludwig Lange gäbe es keine Zahlenkolonnen wie diese: Eine Mietskaserne mit fünf Geschossen, 40 Wohnungen und drei Läden wurde aus etwa 1,4 Millionen Ziegeln erbaut. Für den Anhalter Bahnhof brauchte man allein 16 Millionen. Drei Milliarden Steine kamen um 1905 Jahr für Jahr auf dem Wasserweg nach Berlin. 60 000 faßte ein Kahn. 1300 Ziegelöfen gab es rund um die Stadt. Karl-Ludwig Lange könnte sich den ganzen Tag mit solchen Zahlenspielen befassen, denn er hat ein sonderbares Hobby, er sammelt Ziegelsteine.

Sechs Tonnen Ziegel lagern bei dem Landschafts- und Stadtfotograf zu Hause, ein erdiges Archiv, das bunter ist als viele meinen. Es gibt alle Farbtöne, je nach Tonvorkommen und Brandverfahren variieren sie von Hellbeige über alle Rotschattierungen bis zum tiefsten Grau. Bei Lange zu Hause müßten sich eigentlich die Balken biegen. Eine Steinsammlung ist viel Last für ein gewöhnliches Altbauvorderhaus das, Lange erwähnt es am Rande, aus rund 300 000 Ziegeln erbaut wurde. Deshalb ließ er vor Jahren zusätzliche Stahlträger unter den Dielen einbauen. Da ahnte er wohl schon, daß sein Archiv lange bei ihm beheimatet bleiben würde. Kein Museum will es haben. Lange ist auf seinem tonnenschweren Forschungsgegenstand sitzen geblieben.

Anfangs galt er vielen als Spinner. Wer legt sich schon staubige Steine in die Wohnung? Aber all das, was Lange an den Bauklötzen so bewegt, hat seine Geschichte. Und die befindet sich auf einem Dorotheenstädtischen Friedhof, ganz hinten links. Dort steht ein pompöses Kachelkunstwerk. In einem Dutzend Farben leuchten Blüten und Blätter, Friese und Figuren aus lasierten Terrakotten, alle fein modelliert. Klinker und Kacheln zeigen eine Pracht wie gleich drei Öfen der Kaiserzeit zusammen. Der tempelartige Bau ist jedoch keine Feuerstelle. Er ist das Grabmal für Friedrich Hoffmann, der im Jahr 1900 gestorben ist, und über den hier zwischen allem Glanz nüchtern geschrieben steht: "Erfinder der Ringöfen." Der Ingenieur Hoffmann hatte mit seiner fulminanten Neuerung den Brand von Backsteinen vor 150 Jahren zu einer effizienten Industrie gemacht.

"Das Grab war mein Erweckungserlebnis", sagt Karl-Ludwig Lange und es klingt ein bißchen pathetisch. Das ist eigentlich nicht Langes Art, aber in diesem Fall gönnt er es sich. Schließlich hat sein erster Besuch am Hoffmann-Grab eine große Passion erweckt, eine folgenschwere.

Das Grab an der Chausseestraße entstand auf dem Höhepunkt der Ziegelproduktion, als Berlin hitzig wuchs, emporgemauert aus den gebrannten Steinen. Die Hoffmann-Öfen waren echte Beschleuniger. Konsequenterweise ließ der Erfinder am eigenen Familiengrab seinen Nachlaß ausstellen, auffällig, nicht gerade bescheiden. Eine seiner Firmen aus Schlesien mußte das Werk ausführen, das keramische Spektakel vereint alles, was damals an Schmuck zu haben war. Heute ist Hoffmann nahezu vergessen. "Obwohl dieser Berliner ein echter ,global player' war", sagt Karl-Ludwig Lange. Er hat herausgefunden, daß die sparsamen Ringöfen schon wenige Jahre nach ihrer Erfindung von 1858 auf der ganzen Welt standen. Außer ihm gibt es dafür kaum Spezialisten, Museen in der Stadt befassen sich gar nicht mit dieser Form der Industriegeschichte. Der Fotograf Lange aus der Torfstraße ist dagegen ein penibler Stöberer. Er sucht die Relikte, Mauer- und Fassadensteine, verzeichnet Fundorte, findet neue Fährten. Berlin wurde sprichwörtlich aus dem Kahn gebaut. Er weiß oft, woher welcher Kahn zu welcher Baustelle kam.

Ende 1989 spazierte er aus dem Wedding nach Mitte, zufällig stieß er im düsteren DDR- und Friedhofsgrau auf die knallbunte postume Kachelschau von Friedrich Hoffmann. Da nahm Lange die Spur der Steine auf. "Daß Steine in Berlin zu profanen ,Klamotten' degradiert werden, wollte ich nie verstehen", sagt er. Schon wenige Monate später kehrte er damals von einer seiner Recherchereisen ins Berliner Umland mit einem Kofferraum voller Backsteine wieder. 60 Quader aus der traditionellen Ziegelgegend um Rathenow waren vor 15 Jahren die Grundsteine der Sammlung. Heute zählt sie über 1800. "Schuld war nur die Prahlerei Hoffmanns", sagt Lange.

Bis kurz unter die Stuckdecke seiner Wohnung stehen die Steine dicht und fein sortiert in Regalen. Ein Raum ist das Ziegelzimmer, dort sind es allein über 1500 Exemplare. Hunderte weiterer Steine sind im Rest der Wohnung verteilt. Jeder hat ein Paketband um den Bauch, einen Zettel daran, eine Katalognummer. Manche sind auf der Kopf- oder Längsseite gestempelt, mit Zeichen der Ziegeleien. Es gibt Initialen, Runen, Kronen und Kreuze, Kleeblätter oder vollständige Orts- und Firmennamen. Lange kennt sie oft auswendig. Andere Details findet er in Karteikästen oder im Fotoarchiv. Er ist ein autodidaktischer Universalgelehrter, will alles wissen. Auf den 25 Quadratmetern seines Ziegelzimmers entsteht die Datenbank einer vereinten Technik-, Regional- und Kulturgeschichte. Ohne Lange gäbe es keine griffigen Regeln wie diese: Gelb-grüne Steine kommen aus der Nähe von Berlin, rote stammen von weiter her. Die beliebtesten überhaupt waren "gelbe Birkenwerdersche" und "rote Rathenower". Die dortige Tonerde, so hieß es im 19. Jahrhundert, sorgte für den perfekt-urbanen "Berliner Ton". Längst ist Lange unter Fachleuten anerkannt.

Manchmal stoßen Nachfahren der früheren märkischen "Ziegellords", wie die Baustoffproduzenten bei Fontane hießen, zu ihm. Lange hilft ihnen in Fragen der Familiengeschichte. Bisweilen wollen Denkmalpfleger oder Baufirmen Gutachten von ihm. "Einige bezahlen sogar", sagt er. Auch denen, die es nicht können, hilft er meistens weiter. Es sind schließlich Menschen, die mit ihm eine Leidenschaft teilen und die sich vielleicht auch so gern über Karl-Friedrich Schinkel unterhalten. Der machte einst die Ziegel vollends salonfähig. Seit den 1830er Jahren, als jener die Friedrichswerdersche Kirche, die Bauakademie und zwei Kirchen in Moabit und Wedding als Rohziegelbauten errichtet hatte, wurde diese Ausdrucksform zum dominanten Stil. Jetzt war eine neue Qualität gefragt, die Stadt brauchte hochwertige Steine, und das für fast einhundert Jahre.

In 350 Ziegeleiorten fand Lange noch Spuren. Zumindest letzte Bilder konnte er machen. Von rostenden Loren, ausgemergelten Tongruben, Trockenschuppen. Sogar Hoffmann-Öfen fand er noch vor. In der DDR hatten einige Betriebe weiter produziert, erst nach der Wende wurden sie abgerissen. In Glindow an der Havel arbeitet sogar bis heute das letzte Original-Hoffmann-Modell, der Ofen ist kreisrund, nicht oval wie spätere. Begeistert ist Lange von seinem jüngsten Fund bei Beeskow: Im Wald von Sauen entdeckte er die Mauerreste einer Ziegelbrennerei. Schon 1747 wurde Sauen als Lieferant für Bauten in der Friedrichvorstadt erwähnt. Solche archäologischen Treffer werden mittlerweile allerdings selten. Aber Lange sucht unermüdlich weiter. Innerhalb der Stadt bedeutet das, zur Stelle zu sein, wo Mauern eingerissen oder Fundamente freigelegt werden. Er ist einer jener Flaneure, die überall stehen bleiben, überall ihre Nase hineinstecken. Im Trümmerberg des Stadions der Weltjugend begegneten ihm bei seinen Wanderungen in den Neunziger Jahren etwa Steine mit den Aufdrucken "B. Marschall Bagow", "W. Michaelis Plaue", "E.F.S. Spandow" und "W.A.P. Springbleiche". Die Reihe ließe sich fortsetzen, schier endlos, Langes Regale stehen ja alle voll mit "Fritze Glindow", "Wallis Werder", "Sittig Rathenow" und so fort. Mögen die Steine anderen noch so gleichförmig erscheinen, Lange macht große Unterschiede aus: Mal grobkörnige Ziegel, dann pottaschig fahle, mal scharfe, dann gerundete Kanten. Er erkennt von Hand gestrichene Steine oder die mit Maschinen geschnittenen, wie sie in Riesenserien für Mietskasernen verwandt wurden.

Mit Hingabe dechiffriert er Stempel. "GvK Pl - Rth" bedeutet Gräflich von Königsmark in Plaue, aber nach 1842, denn vorher war die Familie nicht an jenem Ort. Außerdem ist dieses ein Plauer Stein, der sich Rathenower (Rth) nennen durfte - "das war eine große Auszeichnung", sagt Lange. "Ich selbst mag die frühen Formate und frühen Schnitte am liebsten." Er schätzt eigenwillige Profile, schwere. Sie liegen bei ihm unten auf dem Boden. Trägt solch ein Stein aus der Zeit vor 1850 einen Stempel und kennt Lange den Ursprungsort, so ist es ein Joker.

Und noch eine Regel: Je ruinöser ein Bauwerk, desto bessere Chancen hat der Spurensucher. An den derzeit offenen Grundmauern des Neuen Museums von Stüler, erbaut 1843 bis 1847, machte Lange Steine mit 29 verschiedenen Stempeln aus - ein großer Triumph.

Aus der Berliner Morgenpost vom 27. März 2005
 
 

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